Magersucht (Anorexie)

Die Magersucht ist im Prinzip das Gegenteil von der Fettsucht. Bei der Fettsucht baut man sich ja eine Schutzschicht auf um hinter der Fettschutzschicht sein Eigenes leben zu können, und bei der Magersucht ist es das Gegenteil, man will sein Eigenes gar nicht leben. Und zwar ganz oft direkt in dem Sinne dass man sein eigenes Leben systemisch betrachtet für jemand anderes geben möchte. Wenn beispielsweise der Vater systemisch gehen will (also unbewusst einem Toten folgen möchte, also unbewusst sterben möchte) und wenn die Tochter dann glaubt den Vater retten zu müssen indem sie selber verwindet an seiner statt, genau das wird dann oft durch eine Magersucht sichtbar. Durch das mager und dünn werden wird das dann sichtbar dass es einen mächtigen Anteil in ihr gibt der sich immer mehr auflösen möchte, der gehen möchte, der aus dieser materiellen Welt entschwinden möchte.

Mit der Magersucht ist also eine enorme Ablehnung des Lebens verbunden, der oder die Betroffene lehnt alles Lebendige in sich ab bis hin dass man glaubt nicht lebenswert zu sein. Das wird in unserer Gesellschaft dann oft mit dem Glauben kaschiert nicht schön genug zu sein. Man eifert dann vielleicht sogar dem Ideal nach desto dünner - desto schöner, weil unter dieser Fassade akzeptiert unsere Gesellschaft dann ja das dünn sein. Ein anderes Muster was zu dem Verschwinden wollen auch passt ist dass man andere sozusagen nicht mit sich selbst stören möchte, man macht sich dünne im wahrsten Sinn des Wortes. Die Ablehnung des eigenen Lebens kann bis hin zu Selbsthass und selbstzerstörerischen Mustern gehen. Auf einer tiefen Ebene ist es also immer der Glaube sich beziehungsweise das eigene Leben nicht lieben zu dürfen. Und so ist der Weg der Heilung immer der Weg der Auflösung all solcher Selbstliebesverbote. Finde alles wo solche Muster und Glauben entstanden sind dass man zb glaubt dass andere mehr wert wären als man selbst, und ja anfangen muss man damit natürlich bei den wichtigsten Beziehungen die man als Kind hat, nämlich zur Mutter. Warum will man vielleicht sogar vor der Mutter flüchten (im übertragenen Sinne) anstatt sich von ihr (auch wieder im übertragenen Sinne) liebevoll nähren zu lassen und dieses liebevoll Nährende der Mutter zulassen ?


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Kommentare

1. Johanna schrieb am 06.4.2023:

Lieber Andreas,

Vielen Dank, das sie meinen Artikelwunsch aufgenommen haben. Sehr interessant! Ich kenne nur eine mit Magersucht aus einer App, doch den Grund für solch ein Handeln wollte ich schon immer mal erfahren und zum Glück wusstest du mal wieder eine sehr hilfreiche Antwort. Vielen Dank dafür, Andreas!😀

Liebe Grüße aus Zwenkau.

Johanna.

2. Nadjeschda schrieb am 09.4.2023:

Lieber Andreas,

ich möchte mich auch für diesen Artikel bedanken und um etwas ergänzen.

Ich habe längere Zeit mit Jugendlichen gearbeitet. Eine junge Frau, die ich in einem Internat betreute, war an Magersucht erkrankt. Ihre Mutter hatte im Zuge eines Unfalls am Pool, wo sie von ihrer Tochter, eben jenem damals ca. 6-jährigen Mädchen, gerettet wurde, leider schwere (neurologische) Einschränkungen erlitten.

Als die Tochter ins Jugendalter kam und folglich auch zunehmend selbst zur Frau (der eine Mutterschaft möglich wird) wurde, entwickelte sich die Magersucht, ebenso wie das mit dieser Erkrankung häufig verbundene massive Streben nach Leistung und "Perfektion".
Dein Zugang, lieber Andreas, passt genau zu dem, wie ich die junge Frau erlebte. Ergänzend finde ich interessant, dass sie damals mit ca. 15 Jahren bereits anstrebte, und heute auch tatsächlich Medizin mit Schwerpunkt "Neurologie" studiert.
Es berührt mich, den inneren Konflikt, dieser jungen Frau zu erkennen, denn sie will ihre Mutter retten, gibt dafür sich selbst auf, auch durch destruktiver Disziplinierung, verbietet sich selbst das "Frau Sein" mit einigen damit verbundenen Attributen.

Ihre Mutter ist vor ein paar Jahren verstorben, wie ich hörte.
Ich wünsche, dass die junge Frau auch dadurch ihren Schmerz und ihre Art mit ihrer in einer Weise bereits früh "verlorenen" Mutter umzugehen und idealerweise das Erlebte sogar schrittweise in eine Liebe zu sich selbst und zum Leben zu transformieren.

Lieben Gruß,
Nadjeschda

3. Andreas schrieb am 09.4.2023:

Hallo Nadjeschda,
Danke für das Beispiel..
lg von Andreas

4. Schmetterling schrieb am 01.8.2024:

Lieber Andreas,
erstmal danke für dein TUN :)

Meine Tochter ist 15 und verletzt sich seit 1 Jahr selbst (Ritzen)
Ich bin schon einigen auf die Spur gekommen - ich und ihr Vater sind getrennt seit sie 8 ist - er hat sich mal mehr mal weniger gut gekümmert und mittlerweile fährt sie nicht mehr hin. Längere Geschichte… ihr Bruder (11) ist liebend gern beim Papa und auch das Lieblingskind vom Papa :) mittlerweile versucht der Papa das auszugleichen aber er hat es lange Zeit nicht geglaubt! Und es wirkt wie wenn es nun schon fast zu spät ist!
Zusätzlich war ich jetzt 5,5 Jahre in einer sehr toxischen Partnerschaft gefangen - was denk ich auch seinen
Beitrag dazu gebracht hat :(

Das Thema essen ist immer mal wieder Thema gewesen - und sie hatte schon öfter so - "ich esse nichts, ich habe eh keinen Hunger!" Aber es verging immer wieder!
Aktuell ist es aber extrem und sie will Sport machen, Proteine zu sich nehmen und isst sehr wenig!
Bin auch drauf gekommen, dass sie essen wegwirft.

Ich hatte bis vor einigen Jahren (seit meiner Kindheit) auch ein Thema mit dem Essen - ich hab immer wenig gegessen, da ich Angst davor hatte, dass mir schlecht wird bzw. das Essen nicht gut ist für mich!
Dies hab ich eigentlich ziemlich gut bis fast aufgelöst…

Nun stehe ich bei meiner Tochter an…. Ich sehe dass sie nicht viel isst, dünner wird und bekomme so eine Wut weil ich sie nicht aufhalten kann.
Ich fühl mich ohnmächtig und schuldig weil ich das Gefühl habe ich hab so viel falsch gemacht (alleine die letzten Jahre wegen der toxischen Beziehung - die sie leider auch sehr geprägt und mitgenommen hat :(
Dann versuche ich mit ihr zu reden und es bringt nichts…. Sie erklärt mir sie isst genug und ich sehe es aber dass sie fast nichts isst…

Hast du eine Idee bzw einen Ansatz für mich bitte?
Ich stehe sowas von an…

Vielen Dank!
Schmetterling

5. Andreas schrieb am 01.8.2024:

Hallo Schmetterling,
Ja, da macht sie es sehr ähnlich wie du. Du hast dich fünf Jahre lang durch eine toxische Partnerschaft verletzt, sie verletzt sich durch das Ritzen. Sie gönnt sich kein gutes Essen, du gönnst dir keine gute Partnerschaft. Anscheinend glaubt sie man dürfe sich das pralle Leben nicht gönnen, man müsse leiden und asketisch dünn sein usw.. Das beste was Eltern immer tun können ist es ein gutes Vorbild abgeben, darum bearbeite deine Themen und lebe ihr das pralle Leben vor, das heißt: Erlaube dir positive Sichtweisen und lebe ihr eine lebensBeJAende Lebenshaltung vor.
Dann versuche ich mit ihr zu reden und es bringt nichts... Sie erklärt mir sie isst genug und ich sehe es aber dass sie fast nichts isst..
Reden hilft da nichts - gut dass du das bereits erkannt hast.
Das Problem ist auch nicht wie viel sie isst, sondern dass sie sich von der prallen Lebens- und Freudeenergie abschottet. Animiere sie also stattdessen lieber dass sie sich zb durch tiefes Atmen mit Lebensenergie anfüllt. Lebe ihr also dieses positive, das Leben annehmen, das Leben positiv sehen, das Positive aus zb Begegnungen und Beziehungen annehmen vor. Zuletzt hast du ihr ja demnach eine Trennung vorgelebt, aber lebst du ihr auch vor dass und wie man nicht aufgibt eine positive und lebensbejaende Beziehung zu suchen und offen dafür zu sein ? Nein, weil dann würde ja ihr sich schuldig fühlen verschwinden.. Lebensbejaend würde in deinem Fall zb auch bedeuten dass du diese letzte Beziehung nicht mehr als toxisch betrachtest, sondern als für dich anscheinend notwendige Erfahrung und für deine Entwicklung notwendig gewesen. Genauso ältere frühere Beziehungen, zb die Beziehung mit ihrem Vater: Nur weil du diese Beziehung (bewusst oder unbewusst ist dabei egal) als misslungen betrachtest, kann sich in der Tochter überhaupt ein Schuldgefühl bilden.
Darum arbeite an deinen eigenen Schuldgefühlen (aus denen heraus du dir ja keine gute Beziehung erlaubt hast), und dann wird deine Tochter dir auch keine Schuldgefühle mehr spiegeln - das Ritzen ist ja nur Ausdruck einer Selbstbestrafung wegen Schuldgefühlen und ja es sind genau die selben Schuldgefühle wegen denen sie sich dünn und damit unsichtbarer machen will.

Da dies alles auf Ebenen stattfindet welche man durch Reden normalerweise NICHT erreicht, ergibt Reden da auch keinen Sinn. Besser sind da zb Arbeiten mit Familienaufstellungen.

lg von Andreas

6. Schmetterling schrieb am 03.8.2024:

Vielen lieben Dank Andreas, das hilft mir sehr!

Wo ich mir schwer tue ist, die Fülle zu leben und das lebensbejahende und zb Zeit für mich zu nehmen und die Kontrolle abzugeben und sie alleine zu lassen daheim - obwohl sie nichts dagegen hat und sogar sagt sie möchte gern Zeit für sich haben!
Ihr die Leichtigkeit vorzuleben die mir aber gleichzeitig ein Schuldgefühl macht, weil ich sie alleine lasse…
Komplex… oder paradox….

Danke dir

7. Andreas schrieb am 03.8.2024:

Hallo Schmetterling,
die Leichtigkeit vorzuleben die mir aber gleichzeitig ein Schuldgefühl macht
Ja, auch das ist ein Beispiel: Du lebst ihr Schuldgefühle vor und wunderst dich dass sie Schuldgefühle hat (aus denen heraus sie sich ritzt/selbstbestraft).
Kinder lernen durch Vorbilder NICHT durch Schule..

lg von Andreas


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